“Wollen wir das mal so versuchen?” “Nö, warum? Klappt doch ganz gut.”
Das war’s dann. Neuer Versuch. Irgendwann.
Wie viele Veränderungen und Verbesserungen genau daran scheitern, mag vielleicht mal eine Studie beantworten, die ich bislang nicht gefunden haben. Ebenso wenig die Studie, die darüber Auskunft gibt, warum wir nicht mehr versuchen, um etwas zu verbessern. Gründe dafür haben wir genug: eine aktuelle Pandemie, Klimakatastrophe, Missstände in allen Bereichen, ob Bildung und Schule, Gleichstellung, Rassismus, Fachkräftemangel, die Betreuung in Seniorenheimen, ÖPNV, die Benachteiligung der Kultur, die mangelnde Transparenz der Politik, auf jedweder Ebene.
Da streiten Bequemlichkeit, Ehrgeiz und die intrinsische Motivation miteinander. Während die erste den Mehraufwand scheut, “Bloß nicht mehr Arbeit”, wägt der Ehrgeiz ab, ob der Mehraufwand des “Besser werdens” auch wirklich mehr Ergebnis für den eigenen Erfolg garantiert. Hauptsache: Schön. Und mehr. Die Motivation ist sich sicher, aber vielleicht allein, weil es von niemandem geteilt wird. Eine schwierige Auseinandersetzung steht bevor.
Dabei wird das “Besser werden” selten als Ziel proklamiert. Viel häufiger: Mehr als vorher. Der Erfolg zählt. Leider immer nur der kurzfristige, etwa der Verkauf. Also sind Zahlen gemeint, aber keine inhaltlichen Veränderungen damit verbunden. Das “immer mehr” impliziert nicht automatisch auch eine nachhaltige Verbesserung, aus der dann durchaus “mehr” resultieren kann. Anders ist es ja bei der Pandemie. “Besser werden” bedeutet hier: Weniger ist mehr. Schwierige Gemengelage bei der sonst eher orientierten “Mehr”-Fraktion.
Den Politikerinnen fehlt der Mut
Wir erleben dies aktuell bei den Bemühungen der Politik, diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Dass dies nicht einfach ist, versteht sich von selbst, weil nicht nur die Virologinnen lernen müssen, um es verstehen zu können. Und so haben wir vom “Alles schließen” über Sommerlockerungen bis hin zum feuchten Herbst und nun stetig ansteigenden Infektionszahlen viel erfahren können. Aber leider noch immer nicht genug, um besser zu werden.
Neben der großen Herausforderung dieser Pandemie-Bekämpfung in einem föderalen System fehlt nach meiner Einschätzung den meisten Politikerinnen der Mut, pragmatisch zu handeln. Zu sehr sitzt die Angst in deren Nacken, vom Wahlvolk nicht mehr geliebt zu werden. Die leidige Konsequenz: Ein stetiges Hin und Her zumeist bürokratischer Entscheidungen, die vielleicht im gesamten Ansatz geholfen haben, gleichwohl vielen die Existenz ruiniert. Taktisches Geplänkel also, um neben dem Pandemie-Management auch noch den Kampf um die Stimmen der Wählerinnen zu werben. Vielleicht die schlechteste Zeit, eine Pandemie in den Griff zu bekommen, es ist ja Wahljahr. Die Staatsbürgerinnen sehen Entscheidungsträger, die um Deutungshoheiten kämpfen, zwischen einem “Wir schaffen das” und “Wir machen gerade weiter so wie immer”, ausgetragen in wie immer nichttauglichen Talk-Shows. Sascha Lobo schreibt mit gewohntem Verve über die fehlenden Visionen einer Kanzlerin. Und macht gleichzeitig deutlich, wie weit Deutschland im Rahmen der Pandemie mit einer Digitalisierung hinterher hinkt.
Pragmatische Bürgermeisterinnen handeln
Doch siehe da: Pragmatische Bürgermeisterinnen schaffen es, Erfolge zu verzeichnen. Sie erkennen ihre lokale Sachlagen, und handeln, stoßen dabei gegen bürokratische Ebenen, und erreichen dennoch mit ihrem pragmatischen Handeln eins: Bessere Zahlen. Was ich nicht sehe: Bürgermeisterinnen, und andere Kommunalpolitikerinnen die es ihnen nachtun. Weder Transparenz noch wohlmeinende und klare Kommunikation, es fehlen jegliche Zeichen für ein pragmatisches Handeln. Die Lehren aus der Pandemie hat Vanessa Giese in diesem Beitrag sehr gut beschrieben. Es hält sich nur kaum jemand daran.
Für die Politikerinnen ist diese Situation neu, weil sie über viele Jahre mit (wirtschaftlichen) Erfolgen arbeiten konnten. Nun in der wirklichen Krise müssen sie sich anders unter Beweis stellen. Wie man am Beispiel der pragmatischen und lernfähigen Bürgermeisterinnen sehen kann, gelingt das nicht allen.
Es gibt zu viele Widersprüche
Fragwürdig wird das Lernen in den politischen Gremien und Verwaltungsstrukturen, wenn es an vielen Stellen offene Widersprüche gibt. Warum dürfen noch immer Vorgesetzte ihre Mitarbeiterinnen unter zuweilen sogar schlechten Voraussetzungen in ihre Büros zwingen, zwei Brüder aus unterschiedlichen Haushalten aber nicht ihre Mutter gemeinsam in der Pflegeeinrichtung besuchen? Warum gilt noch immer als wichtigste Maßnahme in der Pandemiebekämpfung die Reduzierung der Kontakte auf ein Mindestmaß, während gleichzeitig Grundschul-Fachlehrerinnen nach der Wiedereröffnung der Schulen vor mehr als 100 Schülerinnen stehen und unterrichten müssen. Sie werden als “Kollateralschaden” einer möglichen Infektion einfach ausgesetzt. Kontaktreduzierung geht eigentlich anders.
Deutlich wird dabei, und zudem auch bei den ständigen Rufen nach weiteren Lockerungen politischer Vertreter unterschiedlicher Fraktionen, dass es ihnen nicht um ein “Besser werden” geht, sondern um eine Bedienung der politischen Wahlklientel. “Besser” wäre angesichts der aktuellen Infektionszahlen eine präzise Steuerung der bisher bekannten Hilfs-Mechanismen zur frühzeitigen Erkennung und Steuerung der Ursachenherde, sprich: einer konsequenten Verfolgung und Information der betroffenen Kontakte. Mit einer klaren und verständlichen Kommunikation ist dies jederzeit machbar, nach den bisherigen Umfragewerten innerhalb der Bevölkerung sogar weitestgehend erwünscht.
Das Versagen der Politik vor Ort
Wie wenig das “Besser werden” in den Köpfen ist und gedacht wird, zeigt sich besonders im Lokalen, also direkt vor Ort. Wenn schon viel zu viele Bürgermeisterinnen nicht transparent und authentisch kommunizieren, so versagen lokale Ortsvereine und Fraktionen von Parteien um so mehr. Weder streiten sie auf ihren analogen und digitalen Kanälen um die Verbesserung, also der Verringerung der Zahlen, noch weniger beziehen sie ihre Klientel in Gespräche und Diskussionen um die lokalen Möglichkeiten der Verbesserung ein, die Pandemie vor Ort noch besser in den Griff zu bekommen.
Wie unterstützen sie ihre Bürgermeisterinnen, mehr Personal, Geld und Geräte für die Gesundheitsämter zu akquirieren, um dort besser zu werden? Wie unterstützen sie ihre Bürgermeisterinnen in der Auseinandersetzung mit hochrangigeren Behörden in der Bezirksregierung oder in der Landesverwaltung, ihre besseren Wege zu gehen? Manchmal haben sie nicht einmal ein annäherndes Verständnis für ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz ihrer eigenen Politik in dieser zunehmend fragmentierten Medienwelt
Da “ackern” Landräte vermeintlich um ihren Landkreis, aber es gibt wenig Informationen zu ihren Bemühungen um die Eindämmung der Pandemie. Da schubsen Bürgermeisterinnen trocken und reichlich unpersönlich die aktuellen Inzidenzwerte. Warum sie nicht besser denken? Weil sie von ihren Partei-Strukturen oder schlechten Beraterinnen dazu nicht ermutigt werden. Es gibt, soweit ich weiß, keine Anleitungen innerhalb der Parteistrukturen etwa seitens der Bundes- oder Landesverbände Anleitungen für die lokalen Ortsverbände, wie sie damit umgehen sollen. Wie wenig “Besser werden”-gedacht ist das denn?
Mehr Vorleben und Kommunikation
Gleichwohl, um welche Organisationseinheit es geht: Um bessere Ergebnisse zu erzielen, muss also besser gedacht und gemacht werden. Es muss als wesentlicher Grundwert in das Denken einziehen. Es muss als Ziel definiert werden, untermauert und gefestigt werden mit Prozessen, die das jederzeit ermöglichen. Das “Besser werden” muss wesentlicher Bestandteil der Führung in Organisationen und Unternehmen sein. Ob Landesregierung oder Ortsverein und Fraktion der Grünen im Stadtrat, ob Versorgungsunternehmen oder kleines Reise- oder Linienbus-Unternehmen, die Strukturen sind identisch, die Größenordnungen und damit die Anforderungen an die Führung sind unterschiedlich.
“Besser werden” gelingt nur mit einem vernünftigen Kommunikationsansatz und einer höchstmöglichen Transparenz. Denn neben fachlichen Qualifikationen, die natürlich regelmäßig erweitert werden sollen, spielen Führungsqualifikation und die damit verbundene Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Ehrliche Reflexion ist eine weitere Voraussetzung, damit Transparenz und Kommunikation in den Organisationen gelingen kann. Ungemein wichtig ist es, dies als Führungskraft vorzuleben, um Mitarbeiterinnen im positiven Sinne anzustecken, es ihnen gleich zu tun.
Das Gute ist der Feind des Besseren. Dieser Satz schlummert schon seit vielen Jahren in mir. Zu Beginn bedächtig, bis es irgendwann gezündet hat. Und dann war es ein Feuer. Es hat richtig gebrannt. Und brennt bis heute. Doch wie kann es gelingen, auch anderen deutlich zu machen, dass es viel häufiger nicht um “mehr” gehen sollte, sondern zunächst einmal um das “besser werden”? Wir brauchen viel mehr Menschen, die das pragmatisch und empathisch vorleben.
cdv!