Die Luft ist raus. Hm, nein, besser gesagt: Die Gänge rutschen durch. Das VanMoof-Fahrrad schaltet nicht mehr. Der Reparaturtermin: 16. August. Den überhaupt finden zu können, ist ein kleines Abenteuer. Wenn irgendeine Marke gerade alles tut, seine Kunden und vielleicht Fans zu vergraulen, dann ist es die holländische Marke. Die eigenen Service-Hubs werden gerade alle geschlossen. Die nun zur Verfügung stehenden Reparaturbetriebe kommen erst langsam. Oft sind sie noch nicht ausgerüstet. VanMoof hat es da nicht eilig. Und mittlerweile bedeutet das einst geliebte S3 nur noch Ärger. Touren wie diese (damals mit dem Ghost) stehen erst mal nicht mehr an.
Im Jahr 2009 gründeten Taco und Ties Carlier VanMoof. Aus dem Industriedesign kommend – und komplett ohne Fahrradindustrie know-how – konnten sie das Konzept eines Fahrrads von Grund auf neu denken und Fahrradfahren durch die Städte der Zukunft neu gestalten. Im Laufe des letzten Jahrzehnts reduzierten sie das Bike auf das Wesentliche, verbesserten die Grundlagen und integrierten innovative Technologien um Dieben, Gegenwind und Hitzewellen den Rücken zu zeigen. Belohnt mit zahlreichen Preisen haben sich die Carlier Brüder das Ziel gesetzt die nächste Milliarde auf Fahrräder zu bekommen.
VanMoof erschütternd
Das Versprechen und die Selbstbeschreibung: „Heute sind wir ein Team aus Fahrern, Designern, Träumern und Machern mit einem Ziel: dir zu helfen dich noch schneller, smarter, glücklicher und mit Stil, durch die Städte zu bewegen. Ein Jahrzehnt nach seiner Gründung erschüttert VanMoof mehrfach die internationale Fahrradindustrie, mit bahnbrechenden Innovationen und kreativen Lösungen. Unser “Electrified” war das erste integrierte smart E-Bike auf dem Markt und seine Nachfolger, welche für ihr integriertes Design mit Preisen belohnt wurden, weisen nach wie vor den Weg in die Zukunft. Wir sind Vorreiter in der Fahrradindustrie und haben unser Business Model grundlegend umgearbeitet um bezahlbare High-Tech, hochfunktionale E-Bikes kreieren zu können.“
Wer sich in den Foren und Facebook-Gruppen tummelt, weiß schnell, dass das auch ganz anders sein kann. Erstaunlich viele Fahrräder von VanMoof streiken immer wieder. Sehr oft ist es die Elektronik. Error-Meldungen sind an der Tagesordnung. Die automatische Gangschaltung der elektrischen Bikes meldet sich in vielen Fällen einfach ab. Dann finden die Pedale keinen Halt mehr. Weitere Probleme sind die Verbindungen mit dem Smartphone, oder mit der App. Oft sind es auch die Akkus, die sich sehr plötzlich abmelden. Anders als bei vielen anderen Herstellern ist das Design-Bike nicht so besonders reparaturfreundlich. Der Akku kann nicht selbst gewechselt werden. Auch die Elektronik ist nicht einfach anzufassen. Sie steckt im Oberrohr.
Service für VanMoof ein Fremdwort
Kann alles mal passieren, doch das Bild etwa im Facebook-Forum von VanMoof ist ein anderes. Einen direkten Draht zum Hersteller VanMoof gibt es nämlich so schnell nicht. Und Service gibt es auch nicht. Ein Kostenfaktor, verständlich. Aber der holländische Hersteller differenziert auch nicht. Auf der Website müssen die Kundinnen erst mal genau angeben, was denn da so hakt. Und wer jetzt etwa eine Gangschaltung braucht, bekommt schnell eine schnelle Meldung: Die sind gerade rar. Versuche es ein anderes mal. In einigen Fällen wird empfohlen, es auf eigene Kosten (100 Euro!) nach Holland zu schicken.
Die Meldungen in der Facebook-Gruppe erneuern sich täglich. „Keine zwei Jahre alt, nur wenige Kilometer gefahren. Zunächst den Akku ausgetauscht, jetzt auch hier keine Gänge mehr. Das E-Bike ist nicht mehr fahrbar. Der nächste Reparaturtermin in drei Monaten.“
Was wiederum nichts Besonderes ist. Das mit dem Liefern ist auch so eine Herausforderung. Wer VanMoof bestellt, muss schon mal Geduld mitbringen. Da kann es schon mal mehrere Monate dauern, bis das bestellte S5 oder A5 vor der Tür steht. Mehr als ein halbes Jahr Wartezeit ist für den holländischen Hersteller schon mal drin. Die Kommunikation an die Kundinnen eher spar- und mühsam. Und während sich die Kundinnen ärgern, wirft das VanMoof-Team noch ein neues Modell auf den Markt, das S4 und das X4. Bestellungen sind schon da, aber das mit dem Liefern ist schon wieder so eine Sache. Im Forum wird häufig Ärger und Unverständnis formuliert. Keine Überraschung: Das Team liest zwar mit, äußert sich aber hier nahezu nie. Service ist ein Fremdwort, Kommunikation mit den Kundinnen ist nicht vorgesehen.
Nicht überrascht ist man dabei, wenn abgesprungene Käufer davon berichten, dass es mit den Rückzahlung der Anzahlung immer wieder hapert. Auch hier reagieren die Mitarbeiterinnen von VanMoof in den Chats nur ungenügend oder gar nicht.
Neue Reparaturbetriebe schon jetzt skeptisch
Ob die Strategie aufgeht, künftig die leichten elektrischen Bikes von VanMoof bei Händlern reparieren zu lassen, bleibt allerdings fraglich. Einige Telefonate mit den ersten Partnerbetrieben lassen schon jetzt Fragen aufkommen. Die ersten Händler überlegen, die Zusammenarbeit wieder aufzukündigen. Sie sprechen übereinstimmend von zu teuren Ersatzteilen, und von Vorkasse für Ersatzteile, die der Hersteller von ihnen verlangt. „Vermutlich werde ich das nicht lange machen“, berichtet ein Partnerbetrieb im Rheinland. Andere Händler und Reparaturbetriebe, die nun eine Partnerschaft mit VanMoof eingegangen sind, bestätigen das. Sie sind schon nach wenigen Wochen mehr als skeptisch.
Fakt ist, dass VanMoof derzeit eifrig dabei ist, die eigene Marke langfristig zu beschädigen. Die mit fulminanten Lorbeeren bedachten Holländer, die nach eigenen Angaben Verkaufsrekorde feiern und gleichzeitig sehr viel Kapital für einen weiteren Marktausbau eingesammelt haben, vernachlässigen die bereits versorgten Kundinnen bei den zum Teil nicht ausgereiften Produkten. Eine Marke, die sich Innovation auf die Fahne schreibt, muss gerade dann die Kundinnen mitnehmen, wenn es mal hakt. Leider hakt es zu häufig.
cdv!