„Noch nie hat es die Möglichkeit gegeben, solche Inhalte in der Geschwindigkeit und Breite in Texten und bewegten oder nicht bewegten Bildern zu verbreiten und zu vervielfältigen, wie es das Internet erlaubt. Und noch nie gab es deshalb eine so große Gefährdung des geistigen Eigentums. Doch vor diesen Problemen darf das Urheberrecht nicht kapitulieren. Erfolgreiche Rechtspolitik resultiert nicht aus der Beritschaft, einer fast normativen Kraft des Faktischen einfach nachzugeben. Vielmehr muss es Aufgabe der Rechtssetzung bleiben, einer solchen Kraft entgegen zu treten und die von der Rechtsgeeinschaft im Prinzip anerkannten Recht zu bewahren und zu sichern.
Dabei dürfen sich Gesetzgebung und Rechtssprechung aber auch nicht über Veränderungen des Rechtsbewusstseins hinwegsetzen. Vielmehr gehört der Dialog zwischen den streitenden Interessengruppen in der Öffentlichkeit über das, was richtig und falsch ist, zu den wesentlichen Bestandteilen der Demokratie. Deshalb stellt sich die Frage, ob die derzeitigen gesetzliche Ausgestaltung der Urheber- und Leistungsschutzrechte der modernen Mediengesellschaft gerecht wird. Dies ist aus Sicht des Bühnenvereins nicht in jeder Hinsicht der Fall. Eine behutsame Änderung des Urheberrechtsgesetzes erscheint daher durchaus geboten.“ (Resolution des Deutschen Bühnenvereins bei der Jahreshauptversammlung 2012 in Ingolstadt)
Die Bühnen stecken etwas im Dilemma. Denn auf der einen Seite sind die Chancen, auf der anderen Seite die Rechte. Während sie auf der einen Seite die Chancen zu gern nutzen würden, für ihre Produktionen werben zu können, stehen dem die Nutzungs- und Leistungsschutzrechte diametral entgegen. Kurzes Beispiel: Wenn nur einer der beteiligten Künstler einer Veröffentlichung widerspricht, wird es nicht einmal einen Kurztrailer etwa zu einer spannenden Inszenierung geben.
Der Deusche Bühnenverein sucht somit nach moderaten Lösungen. „Das Internet ist viel mehr Chance als Risiko“, formuliert es Geschäftsführer Rolf Bolwin auf der Pressekonferenz nach der Hauptversammlung in Ingolstadt. Von Inszenierungen, die das Internet als künstlerisches Element verwenden, über Dialog und Kommunikation bis hin zur schon erwähnten Chance, in diesem Netz durchaus andere Nutzergruppen erreichen zu können, um sie für Theater, Orchester oder Oper zu interessieren.
Die Resolution ist ein pragmatisches Werk, das Anerkennung an die Künstler ebenso unterstreicht, wie eben auch das vehemente Interesse der Bühnen als Arbeitgeber, für ihre Arbeit das Internet ebenso nutzen zu wollen. Und das geht derzeit mal gar nicht. Von Kritiken der Tageszeitungen, die im Internet der Bühnen nicht abgebildet werden dürfen, muss dann auch gesprochen werden: Die Verlage lassen in diesem Geschäft gern geschäftig grüßen.
Gleichwohl hinken die Bühnen noch massiv hinterher. Keine Frage, dass sie sich mit den wichtigen Fragen des Leistungsschutzrechtes auseinander setzen, doch das geschieht eher oldschool. Denn twitter, facebook und Co. sind in der Landschaft der Bühnen noch lange nicht angekommen. Das Streamen von Inszenierungen interessiert viele, denn es könnte die Zahl der Besucher wahrhaft steigern. Diese zu binden, sie einzubinden, sie um Meinung zu fragen, das geschieht noch zu wenig. Die wenigsten Bühnen haben nach Auskunft von Fachleuten entsprechende Kanäle, die sie kontinuierlich und nach den ungeschriebenen Gesetzen der digitalen Kommunikation bedienen. Eine der löblichen Ausnahmen: Die Bayerische Staatsoper.
Dabei könnte insbesondere der Deutsche Bühnenverein sein Dilemma dort in die Diskussion bringen, wo sie stattfindet: im Netz. Und mit Sicherheit auch Freunde finden, wenn etwa großartige Inszenierungen der durchaus großartigen deutschen Bühnen mehr im Netz zu finden wären. Denn das Fernsehen ist gerade auch nicht ein Freund der Bühnen, weil es das nicht sendet, was diese mit oft großem Aufwand auf die Bühne bringen.
Man wünscht dem Verein die notwendige Kraft des notwendigen Lobbyismus, diesen Wunsch einer „moderaten Anpassung“ an die Politik heran zu tragen. Nicht zuletzt auch, was die Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft verdi angeht. Diese, so schreibt der Verein in einer weiteren Resulution, räubert und ringt um die technischen Mitarbeiter; zum Schaden, so formuliert es der Bühnenverein, der Kunst und Kultur.
Der Verein, der immerhin mehr als 300 Kultureinrichtungen mit annähernd 39.000 Mitarbeitern vertritt, muss dabei aber auch mehr Flagge im Netz zeigen, sich damit befassen, wie genau dort die Situation der Kunst und Kultur empfunden wird. Etwas mehr Netz-Mut im sozialen Netz wäre gut.
cdv!