Noch wird auf die öffentliche Bekanntmachung gewartet. Sollte sie demnächst kommen, passiert an einer besonderen Stelle im Schwerter Stadtwald: Erstmal nichts mehr. Etwa 16 Hektar Wald sind dann Wildnisentwicklungsgebiet. Dass dies aus einem ohnehin sehr gesunden Schwerter Wald geschieht, davon konnten sich nahezu 100 Menschen überzeugen, die der Einladung von Bündnis90/DieGrünen zu einem fachkundig geführten Spaziergang gefolgt waren. Adrian Mork und Stadtförster Christopher Jendrusch hatten eine Menge Interessantes zum Wald zu erzählen.
Auf Initiative Morks, ehemaliger Stadtplaner und Bürgermeister-Kandidat der Stadt Schwerte und heute Mitarbeiter im Regierungspräsidium Arnsberg, hatte der Rat der Stadt vor einiger Zeit ein ökologisches Waldkonzept verabschiedet. Die Grundlage für die weitere Entscheidung, einem Teil des Waldes künftig sich selbst zu überlassen. Einem ohnehin schon und noch sehr gesunden Wald, wie Mork und Jendrusch überzeugend berichteten. Die zweite Führung machte Andreas Guhl (Forstwirt, Gärtnermeister, Agrartechniker und zertifizierter Baumkontrolleur aus Essen) extra für die Kleinen. Hier war natürlich alles was Kinder interessierte im Blickpunkt und auch unter der Lupe: wie vermehren sich Bäume, was sind das für komische Dinger auf den Blättern oder was wächst da neben den Bäumen, kann man das essen und wie sehen die Babys von Bäumen aus. Mit Begeisterung lugten die Kleinen mit Lupen auf Blätter, auf denen sich Läuse niedergelassen haben, in Bucheckern, um die Baum-Babys zu entdecken und ins Laub, um Pilze zu finden.
Insgesamt etwa 240 Hektar Wald bewirtschaftet die Stadt Schwerte in all seinen Stadtteilen. Christopher Jendrusch, schon seit 26 Jahren im Amt, verfolgt wie seine Vorgänger einen durchaus gesunden Plan. Im Bestand finden sich kaum noch Fichten. Jene Bäume, die derzeit unter der aktuellen Trockenheit und der Borkenkäferplage am meisten leiden, mehr noch: sterben. Während früher noch Schweine in die Eichenbestände getrieben wurde, die Eichenblätter als Streu säckeweise heraus geschleppt wurden, bestehen heute große Flächen nur noch aus Buchenbestand. Eichen sind noch immer da, zuweilen auch Akazien und Douglasien.
Experten knien im Schwerter Wald nieder
Glücklicherweise sieht die Stadt Schwerte den Wald nicht als Geldesel. Während die Preise derzeit ohnehin durch das Fichtensterben und andere Bedingen eher nach unten rauschen, stehen Naherholung und Ökologie im Vordergrund. Und letztere funktioniert großartig. Mork berichtet von Experten, die „niederknieend“ Pilze und Sporen an Bäumen sehen können, die sie in all ihren Berufsjahren zuvor noch nie gesehen hatten, lediglich in Fachbüchern.
Die Naturverjüngung funktioniert auch. Buchen können jahrzehntelang warten, bis der große Baum nebenan nach mehr als 100 Jahren natürlich stirbt. Pilze und Sporen bemächtigen sich des Stammes, um ihm im guten Sinne den langsamen Rest zu geben. Fällt der Baum, gegebenenfalls aus Sicherheitsgründen auch durch den Förster, übernimmt die Natur den wunderbar langsamen Rest, um am Ende zu Humus zu werden. Die Grundlage, wie Mork betont, für alles Leben im Wald. Pilzsporen, so lerne ich, sind nämlich auch Regenmacher. Eine wirksame Lösung übrigens auch für die allgemeine Trockenheit: Das Anpflanzen weiterer Bäume. Weiterer Vorteil aktuell für die Schwerter: Kaum ein Orkan, der in den letzten Jahren über Deutschland wütete, kann dem gesunden Bestand etwas anhaben; es waren bisher kaum Schäden zu verzeichnen.
Der Wildbestand im Schwerter Wald ist ebenfalls nahezu gesund. Waschbär, Dachs, vielleicht Wildkatzen, und eine überschaubare Anzahl von Rehen bevölkern das Naturareal. Schießen zur Regelung braucht Jendrusch seit Jahren nicht mehr. Das erledigt leider der Verkehr auf der zerteilenden B 236, die mitten durch den Wald führt. Und die demnächst noch ausgebaut werden soll. Schade für die Tiere, eine Wildbrücke ist nämlich in den Planungen nicht vorgesehen. Weitere Herausforderungen für den Stadtförster: Die Verkehrssicherungspflicht, die Spaziergänger, Jogger, Reiter und Mountain-Biker schützt. Letztere suchen sich leider auch mal den ein oder anderen Weg, der nicht ausgewiesen ist, errichten sogar Schanzen oder Hindernisse; weniger gut.
Die Schwerter wissen wenig davon
Dem prächtigen Wald in meiner Geburtsstadt ist eine weitere gesunde Entwicklung zu wünschen. Schade ist nur, dass die meisten Schwerter das nicht wissen. Die ohnehin schwache und wirklich schlechte Website der Stadt Schwerte berichtet über den Wald und die geplante Entwicklung: Nichts. Und erneut hat sich gezeigt, das ein Spaziergang vor Ort mit fachkundiger Vermittlung am meisten und sehr inspirierend Information vermitteln kann. Das hat großen Spaß gemacht.
cdv!