Verantwortung sieht anders aus. Eine aktuelle Umfrage des NABU hat ein schockierendes Ergebnis:
Knapp 58 Prozent berücksichtigen bei ihre Wahlentscheidung allerdings nicht die Klimaschutzinteressen der jungen Generation, die zukünftig jedoch erheblich von den Folgen des Klimawandels betroffen sein wird. Das hat eine zweite vom NABU in Auftrag gegebene, repräsentative Umfrage bestätigt. In der ersten, deckungsgleich vor den Hochwasserereignissen durchgeführten Umfrage zeigte sich bereits ein vergleichbares Bild: Die Klimaschutzinteressen junger Generationen spielten auch hier nur eine untergeordnete Rolle.
Der Anteil derer, die der Aussage „Meine Entscheidung zur Bundestagswahl orientiere ich an Klima- und Naturschutzinteressen junger Generationen“ zustimmen, nimmt mit zunehmendem Lebensalter der Befragten immer weiter ab. Nach der jüngsten Umfrage sind es bei den 30- bis 39-Jährigen etwas über 40 Prozent, bei den 40- bis 49-Jährigen 36 Prozent, bei den 50- bis 64-Jährigen noch 30 Prozent.
Mit Blick auf die über 65-Jährigen ergibt sich folgendes Bild: 59,1 Prozent lehnen es ab, die Klima- und Naturschutzinteressen junger Generationen bei ihrer Wahlentscheidung zu berücksichtigen. 27,9 Prozent beziehen sie in ihre Wahlentscheidung ein.
Das für mich erschütternde Ergebnis entspricht gerade nicht dem, was ich mir unter Verantwortung vorstelle. Immerhin hat genau diese Generation maßgeblich dazu beigetragen, dass wir heute einer Klimakatastrophe massiv entgegen wirken müssen.
Aber warum interessiert es die mehr als 65jährigen nicht, ihren Kindern und Enkeln eine funktionierende Erde zu überlassen, die ihnen eine Lebenszukunft bietet?
Das hat vermutlich mehrere Gründe:
- Die Politik hat über viele Jahre dazu beigetragen, den Schwerpunkt immer wieder nur auf den Wohlstand einer möglichst breiten Mittelschicht zu legen. Beruf, Haus, Auto, Sparkonto, Urlaub und Fernseher standen bei den meisten immer im Vordergrund. Was die Politik nicht gefördert hat: Das zivilgesellschaftliche Engagement. Heute wissen viele Menschen nicht einmal, wie die politischen Strukturen funktionieren. Sie wissen nicht, was der Stadtrat entscheiden kann, welche Zuständigkeiten der Landkreis hat, welche Aufgaben der Bezirksregierung zufallen, was der Landtag entscheidet, und welche Kompetenzen der Bund hat.
- Angst. Den erworbenen Wohlstand verlieren zu können, mag ein weiterer Grund sein, sich am „Weiter so“ festhalten zu wollen. Das anstrengende Leben, um den Wohlstand aufzubauen und die Kinder groß zu ziehen, und nicht zuletzt die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte haben Kraft gekostet. Man ist jetzt nur noch bereit, den Ruhestand ruhig und angenehm zu gestalten.
- Bequemlichkeit. Punkt 1 und Punkt 2 sind Gründe genug, sich jetzt nicht mehr in die Auseinandersetzung zu begeben, um das ohnehin kaum sichtbare Klimageschehen herum zu reißen. Vermutlich sehen die Menschen im Ahrtal das schon anders. Sie waren direkt betroffen. Für alle anderen finden die Unwetter woanders statt, im Garten summen noch immer genügend Bienen und viel zu viele Wespen, und das Grillfleisch ist weiterhin billig. Sich nun der Verantwortung zu stellen, sich zu engagieren, das ist viel zu anstrengend. Verantwortung hat man lange gehabt. Jetzt muss‘ gut sein.
Andererseits erlebe ich insbesondere in meiner Boomer-Generation glücklicherweise auch immer häufiger das Gegenteil. Immer mehr Menschen buchen keinen Flug mehr, fahren jetzt mehr als bisher Fahrrad, haben ihre Ernährungsgewohnheiten umgestellt, vermeiden Abfall und besonders Kunststoffe. Sie wissen um die Zusammenhänge und die Notwendigkeiten, die Klimaerwärmung massiv zu reduzieren. Es sind wohl noch immer zu wenige.
Wir brauchen mehr Engagement
Wer jetzt abschätzend darüber lächelt, dass es durchaus sinnvoll ist, mit der Generation der über 65jährigen Menschen gerade jetzt vor einer richtungsweisenden Bundestagswahl noch mal dringend ins Gespräch zu kommen, um sie an ihre Verantwortung zu erinnern, scheint nicht zu begreifen.
Wir können nicht allein der FridaysforFuture-Bewegung die Mahnung überlassen, nun endlich etwas für die Zukunft der jüngeren Generationen zu tun. Es ist jetzt wichtig, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Es geht darum, diese Generation dabei zu unterstützen, eine lebenswerte Erde zu erhalten.
Ich selbst blicke mit einigem Grausen auf die vielen eigenen Fehler in den letzten Jahrzehnten. Sie sind mir heute bewusst. Und ich hoffe sehr, aus den Fehlern gelernt zu haben. Daher ist es meine Entscheidung, mich künftig für eine bessere Zukunft zu engagieren. Meinen Ruhestand stelle ich mir eher unruhig vor, um das erreichen zu können. Ich stelle mich gern der Verantwortung.
cdv!